Für diese Abteien lagen die Weinberge vor der Haustür. Doch auch entfernt liegende Klöster versorgten sich mit Wein aus
der Region, so die Abteien von Gerbstedt, Gernrode, Konradsburg, Ilsenburg und das Liebfrauenkloster von Magdeburg, die
Wiege des Reformordens der Prämonstratenser. Daneben bediente sich die geistliche Obrigkeit des Saaleweins. Die Bischöfe
von Halberstadt waren dabei, vor allem aber die Erzbischöfe von Magdeburg. Wein erscheint für diese frühe Zeit durchaus
als Wirtschaftsfaktor der Region.
Der Weinbaufreudigkeit des Klerus folgte alsbald diejenige des Adels. Anfangs befanden sich fast alle
guten Weinlagen in klösterlichem Besitz. Vom 14. Jahrhundert an gingen immer mehr Rebflächen an den Adel über, der dann
auch mit dem askanischen Fürstenhaus Anhalt-Bernburg den größten Weinbauern der Region stellte. Rund 30 Hektar Weinland
allein bei Bernburg und Waldau eingeteilt in acht Winzerein ließen die Fürsten bewirtschaften. Sie betrieben drei
Keltereien, eine eigene Rebschule und die Hofkellerei in den Gewölben unter dem Langhaus des Bernburger Schlosses. Sie
versahen ihre Hofhaltung in den Residenzen Bernburg und Ballenstedt ebenso die Ratsschenken mit Saalewein, der weiterhin
für die abzugebenden Deputate vorrätig sein musste. Auch andere Fürstenhäuser sowie der Landadel hingen am Saalewein. Der
Fürst von Anhalt-Köthen besaß den Nienburger Weinberg, der Fürst von Anhalt-Dessau die Grönaer Rebflächen. Geradezu eine
Spitzenposition hielt das kurzlebige und winzigkleine Fürstentum Anhalt-Plötzkau mit dem Besitz der Weinberge von
Großwirschleben, Plötzkau, Aderstedt und Schlewipp-Gröna.
Zeitlich später als der Adel, aber dann sehr massiv drängte die Elite des städtischen Bürgertums nach
Weinbergbesitz. Kein Ratsherr, kein betuchter Handwerksmeister, der auf die Referenz eines Weins aus eigenem Anbau
verzichten wollte. Weinbergbesitz und Weinanbau wurde so über die Jahrhunderte hinweg zum Statussymbol für Ansehen und für
die Solidität von Hab und Gut.
Höhen und Tiefen durchlebte der Weinbau natürlich, Untergangsprognosen kursieren durch die Jahrhunderte:
das Aufkommen des Bieres als Volksgetränk, Eiswinter, Kälteperioden. Das alles stimmt letztlich nicht. Der Weinanbau geht
nicht unter, denn Adel und Bürgertum "verbeißen" sich geradezu in den Erhalt ihrer Weinberge und erzielen vom 15. bis in
das 17. Jahrhundert hinein häufig Rekorderträge. Die eigentliche Bedrohung bringt den 30jährige Krieg, dessen gnadenloses
Zerstörungswerk nahezu alle Weinberge der Region dahinrafft. Die Fürsten zu Anhalt-Bernburg setzen schon 1645 ein
beispielhaftes Aufbauwerk für die Weinberge in Gang, dass auch bei Landadel und Bürgertum, zumindest auf den Filetstücken,
zu neuen Anbauaktivitäten führt. Den Napoleonischen Kriegen, die wieder zu Rückschlägen führen, folgt im 19. Jahrhundert
eine Phase solider Bestandserhaltung. Doch schon vor der Mitte dieses Jahrhunderts klingen Alarmglocken an. Ihr anfangs
leises Geläut wird immer heftiger und geht Ende dieses Jahrhunderts in ein Totengeläut über. In der Folge neuer
marktwirtschaftlicher und auch politischer Entwicklungen wird der heimische Weinbau zunehmend mit dem Auftauchen wohlfeiler
und dennoch sehr guter Weine aus südlichen Überflussländern konfrontiert. Der Saalewein, ohnehin "so hoch im Norden"
besonders wetterabhängig, arbeitsintensiv und qualitätsschwankend, kann preislich nicht mithalten. Er "rechnet" sich nicht
mehr und wird nach einem langen Prozess des Siechtums aufgeben. Hinzu kommt zwar nicht aktiv die Reblaus, aber die Furcht
vor ihr, und die regionale Tragik des Aussterbens des weinbaufreudigen Herrscherhauses Anhalt-Bernburg 1863. Wann wo genau
Schluss war, scheint im allgemeinen Verstummen auch untergegangen zu sein. Nur das Ende in Aderstedt 1905 und in Alsleben
1906 sind belegt. Im Jahr 1911 werden letztmalig zwei Weinbergbesitzer in Bernburg genannt.
Wie ein vorletztes Kapittel in dieser Historie kommt ab 1777 der "Blaue Bernburger"® Wein
an die Untere Saale, der bis heute die "Rebsorte" der Heimat, der Region geblieben ist. Erwähnenswert mag noch sein, dass
der Landkreis Bernburg politisch gesehen von zwei "Hoheiten" abstammt, was auf die Einheit des Weinanbaus jedoch ohne
Bedeutung blieb. Der Süden (Könnern, Alsleben) und Nordwesten (Neugattersleben) kommen aus preußischer Hoheit, die Mitte
(Aderstedt, Gröna, Bernburg) und der Norden (Nienburg) aus anhaltischer. Wein und Weinanbau aber waren überall zu Hause.
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